Haushaltsrede zur Verabschiedung des Haushaltes 2013

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren von Verwaltung und Rat, liebe Anwesende. Erst einmal großen Dank an die Verwaltung für die wie immer umfangreiche Arbeit zur Vorbereitung der Haushaltsberatungen.

Zum Glück darf man in der Demokratie unterschiedlicher Meinung sein und diese auch noch öffentlich äußern. Wer Recht hat, das zeigt sich aber oft erst (Jahre) später.

So sagen wir heute, dass wir diesem Haushalt unsere Zustimmung verweigern, weil er die Zukunft Jülichs dauerhaft negativ belastet.

Die geplanten – und selbst die modifizierten – Steuererhöhungen und erst recht die unzähligen Gebührenerhöhungen sind nicht tragbar, ja unzumutbar.
Letztere, die Gebührenerhöhungen, sind völlig unrealistisch, niemals durchsetzbar und sogar kaufmännisch fraglich und dazu noch völlig unausgewogen.

Mit wenigen Beispielen wird das deutlich:
Der Kostenansatz „Miete für Stadthalle“ sieht eine Erhöhung von 1,4% von 2012 auf 2013 vor, wobei hier die Kosten der Halle um 12% steigen. Bis zu 150% Gebührenerhöhung findet man dagegen bei Bürgerhallen, wobei hier – in meinem ausgewählten Beispiel – die Kosten im gleichen Zeitraum um 17% sinken. In zehn Jahren ergibt dies eine Steigerung der Gebühren von 1500%. Also: Heute kostet ein Beerdigungskaffee 75 €, in 2023 wären es dann 1125 € für 5 Std. Hallenmiete. Damit gleicht Jülich dann den Haushalt aus. Wer nimmt denn ernsthaft an, dass das noch jemand bezahlt?

Und dann zur Bücherei. Hat sie 2012 ein Leseentgelt von 26.000 € erwirtschaftet, obwohl 36.000 € im Ansatz standen (also allein in diesem Bereich ein Minus von 10.000 €), setzt die Verwaltung wieder die gleiche nicht erreichbare Summe und dazu noch eine jährliche Steigerung von 2000 € an. Jeder vernünftig kalkulierende Kaufmann würde so nicht vorgehen, um sein Geschäft realistisch zu kalkulieren. Und jeder Prüfer – und sicher auch die Kommunalaufsichtsbehörde – würde diese Vorgehensweise nicht genehmigen.

Zu alle dem gesellen sich dann noch neue Gebühren: Gewässerunterhaltung. Ich glaube nicht, dass die Grundstückseigentümer, die heute schon über die Erhöhung der Grundsteuern schimpfen, schon wissen, was sie da morgen erwartet.

Die Gewerbetreibenden haben zum Teil schon auf die geplante Erhöhung der Gewerbesteuer reagiert. Über die IHK und der Werbegemeinschaft liegen uns bereits eindeutige Stellungnahmen vor. Dazu später mehr.

Diese schon automatische Vorgehensweise von Verwaltung und Politik – Wenn es nicht reicht, dann erhöht man auf Kosten der Bürger Steuern und Gebühren – tragen wir nicht mit.
Dies ist mittlerweile bei Bund, Land, Kreis und Kommune so verbreitet, dass nach unserer Ansicht, die Grenze absolut erreicht ist.

Ich will jetzt hier nicht aus dem umstrittenen – einige sagen ja manipulierten – Armutsbericht der Bundesregierung zitieren. Lesen Sie einfach bei einem anerkannten deutschen Wirtschaftshistoriker in dessen neuen Buch nach: Hans-Ulrich Wehler: „Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland“.
Er schreibt zur aktuellen Lage und zum Armutsbericht: „Die Fakten des Berichts sind unumstößlich. Dennoch versucht die Regierung, mit solchen Phrasen die interpretatorische Oberhoheit zurückzugewinnen. Ein schönes Beispiel für die Verlogenheit der Politik. Getäuscht wird am Ende der mündige Staatsbürger, dem man eine ehrliche Debatte offenbar nicht zumuten möchte. …
… Immerhin stagnieren seit rund zehn Jahren die Reallöhne …“
Und wir, die UWG JÜL, sagen: … Nebenkosten, Energiekosten, Medizinkosten, Pflegekosten, und vieles mehr steigt und steigt.
Und Wehler schreibt: „Aber eine steigende Zahl von Bundesbürgern hat gar keine Ersparnisse mehr“

Ein Glück an dieser Stelle, dass wir von der UWG die Dichtheitsprüfung von Anbeginn abgelehnt haben. Die mündigen Bürger/innen waren es, die diese völlig überzogene und unnötige Kostenbelastung zu Fall gebracht haben. Leider waren die Jülicher Verwaltung und Ratsmehrheit wieder die ersten, die die Bürger/innen zusätzlich belasten wollten.
Der Weg mit diesen unmöglichen und unausgegorenen Erhöhungen und der viel zu einfachen – ja reflexartigen – nicht reflektierten Entscheidung, weitere Kosten auf die Bürger abzuwälzen, um die Fehlentscheidungen der Vergangenheit auszugleichen, ist unserer Meinung nach viel zu kurz gegriffen.
Steuern erhöhen, um dem Kostendruck von Düren, Düsseldorf und Berlin zu gehorchen, ist absolut der falsche Weg und dazu völlig unrealistisch.

Schon die nächste Erhöhung der Kreisumlage, die jetzt nach massivem Druck gerade noch einmal vom Landrat zurückgenommen wurde, kippt das ganze Kartenhaus des vorliegenden Haushaltes. (also Druck und Aufschrei funktionieren hier und da doch – das ist unser Weg),
Der nächste Einbruch durch eine Gewerbesteuer-Rückerstattung ist nicht auszuschließen.
Das ist schon häufiger vorgekommen und damit wahrscheinlicher als der andere Fall, dass Steuereinnahmen zusätzlich fließen.

Alles das lässt alle Hoffnungen und Träume platzen, handlungsfähig zu bleiben. Und das Eigenkapital ist 2013 eh aufgebraucht, egal wie wir heute entscheiden.
Wenn da 2022 noch 25.950€ (wie präzise!) stehen von 65 Mio. heute – wer soll das glauben.

Noch schlimmer kann es aber kommen:
Wir, die UWG-JÜL, gehen nicht davon aus, dass eine Aufsichtsbehörde einen solchen unausgegorenen Haushalt genehmigen wird. Wie es die Aufsichtsbehörde in den letzten Jahren übrigens auch nicht getan hat, als der Jülicher Haushalt noch solider gerechnet war. Jülich befindet sich also seit geraumer Zeit in diesem Nothaushalt, den die Verwaltung immer als Drohszenario darstellt.

Was bedeutet das: Jülich erhöht heute die Gebühren mit der Annahme, dass man handlungsfähig bleibt. Nur der Haushalt wird wieder nicht genehmigt – schon öfter so passiert – dann sind wir genau da – nämlich im Nothaushalt.
Und die Verwaltung kann dann angeblich keine freiwilligen Leistungen mehr auszahlen.
Ja dann haben wir Jülicher Bürgerinnen und Bürger höhere Gebühren und trotzdem keine Handlungsfähigkeit und keine freiwilligen Leistungen mehr.
Ich wiederhole hier noch einmal H. U. Wehler: „Getäuscht wird am Ende der mündige Staatsbürger, dem man eine ehrliche Debatte offenbar nicht zumuten möchte.“

Wir, die UWG-JÜL sagen: Dann bleiben wir doch lieber ehrlich und sagen dem Bürger direkt, dass bestimmte Dinge nicht mehr gehen, dass es Einschnitte geben wird und schaffen Alternativen.

Und wie man gedenkt mit freiwilligen Leistungen zukünftig umzugehen, hat die Verwaltung selbst vorgemacht im letzten Hauptausschuss: Da hat der HFA richtigerweise einfach mit Mehrheit im Vorgriff auf den Haushalt beschlossen, das der Zuschuss in Höhe von 14.000€ für die Jugendschutzveranstaltung an Weiberfastnacht auch im nächsten Jahr gezahlt wird. Es geht also doch! Das von der Verwaltung aufgebaute Drohszenario, dass ohne Gebührenerhöhungen nichts mehr geht, ist damit vom Tisch!

„Jede Bohrmaschine müssen wir uns zukünftig genehmigen lassen“, sagt aber trotzdem immer wieder der Bürgermeister.
Und wir sagen dazu: „Dann lassen wir uns eben jede Bohrmaschine separat genehmigen!“ Meinetwegen von der Regierungspräsidentin persönlich.
Macht das nämlich jede in ihrer Existenz bedrohte Kommune so, wird die Lächerlichkeit solcher Regelungen offensichtlich. Und vor allen Dingen macht es deutlich, dass Bund und Land nicht immer weiter alle Kosten auf die Kommunen abwälzen können.

Nur so können wir die Politik in Düsseldorf und Berlin zu Umdenken bringen!
Erste Signale lassen sich ja in den Parteiprogrammen für die Septemberwahl lesen.

Für den Fall, dass wir wie geplant die Gebühren und Hebesätze (ob in zwei Schritten oder linear (drastisch)) erhöhen, stellen wir die folgenden düsteren aber aus unserer Sicht realistischeren Zukunftsprognosen an:
Neue Gewerbetreibende bleiben weg – unser geplantes Gewerbegebiet Merscher Höhe wird eine Fehlinvestition. Jülich zahlt deutlich drauf. Und auch damit haben wir ja schon reichlich Erfahrung.
Alte Gewerbetreibende melden ihren Firmensitz einfach um. Und diese Stimmen gibt es, ich kenne diese kleinen Betriebe, für die solche Erhöhungen ganz einfach nicht mehr tragbar sind.
Großunternehmen haben auch ihre Schmerzgrenze und lagern Prozesse so um, dass sie woanders kostengünstiger versteuern. Auch das kennen wir in Jülich.
Neubaugebiete werden nicht mehr voll, Neubürger bleiben aus, Arbeitsplätze gehen verloren und die Einwohnerzahl sinkt.

All das wirkt sich gravierend negativ auf die Wirtschaftskraft und die finanzielle Situation in Jülich aus. Der Standort Jülich wird dauerhaft gefährdet. Und zwar ganz massiv.

Das ist völlig kontraproduktiv dem Konzept 2020 gegenüber. Übrigens auch wieder ein Beleg dafür, dass sich – wenn auch erst nach Jahren – die bessere Politik für Jülich doch durchgesetzt hat.
Aber andere Städte machen es besser: Das kann man durchaus beim Überblick der Steuerhebesätze der umliegenden Kommunen erkennen.
In den Haushaltberatungen haben wir Alternativen aufgezeigt, die aber nur halbherzig bis gar nicht von den Mitstreitern gewürdigt wurden. Das bessere Konzept braucht Zeit.
Die Stellungnahme der Verwaltung zu unserem umfangreichen Fragenkatalog ist mit einem einzigen Zitat entlarvt:
„Eventuelle negative Auswirkungen der angesetzten Steuer- und Gebührenerhöhungen… sind ungewiss, sofern sie denn eintreten nicht bezifferbar und daher im Haushaltsentwurf nicht berücksichtigt“.
Andere Kosten oder Einnahmen, die aus unserer Sicht wesentlich variabler sind, kann dagegen die Verwaltung bis auf zwei Stellen hinterm Komma rechnen.

Die Möglichkeiten andere, sprich höhere Ansätze, in den sowieso nicht glaubwürdigen Haushalt hineinzuschreiben, wurden nicht angenommen. Verkäufe von Vermögen, zumindest anzusetzen, sie aber im Einzelfall doch nicht umsetzen zu müssen, wurde nicht angenommen.
Die positiven Entwicklungen höherer Einnahmen wegen Verbesserungen bei der Einwohnerzahl, bei Arbeitsplätzen, bei bebauten Grundstücken und Gewerbebetrieben wurden nicht anerkannt.
Die Abgabe von Einrichtungen an den Kreis, zaghaft bei Drogen und Frauen helfen Frauen, ja zu erkennen, werden nicht weiter verfolgt. Da ist reichlich Potential drin und gleichzeitig, selbst bei entgegenstehender Erhöhung der Kreisumlage, eine Umverteilung auf die bisher nicht zahlenden Kommunen. Noch einmal. Wir wollen diese Einrichtungen nicht schließen, ja wir wollen sie dauerhaft erhalten. Und genau deswegen müssen andere Finanzierungen her.
Und warum haben wir immer noch keine Gebiete für Windkraft ausgewiesen? Stattdessen läuft Jülich einem zumindest sehr wankelmütigen Schrotthändler hinterher, der nun wohl auf der Merscher Höhe alles an Andere verkauft hat. Hier warten wir auf Solarfelder, breiten ihm den roten Teppich aus und es passiert nichts.
Dort, wo die Investoren Schlange stehen und ganz konkret Geld in den maroden Haushalt der Stadt Jülich fließen kann, da tun wir nichts und vergeben täglich Einnahmemöglichkeiten.

Abschließend wiederhole ich es noch einmal: Im Zustand des Nothaushaltes wird Jülich sowieso über kurz oder lang enden:
Also dann lieber heute ehrlich zu den Bürger/innen sein. So oder so kommen harte Einschnitte.

Um diese harten Einschnitte abmildern zu können, haben wir auch einen gangbaren Vorschlag gemacht: Die Gründung einer Bürgerstiftung! Dann bleibt das Geld in Jülich!!!!

Wer diesem Haushalt zustimmt, schickt Jülich auf einen falschen Weg.

Und deswegen noch einmal.

Wir stimmen diesem Haushalt nicht zu, das Ende der Belastungen der Bürger ist erreicht!
Wir müssen was ändern, wir alle!

Und das sollten wir mit unseren Nachbarkommunen gemeinsam machen! Ja sie hören es richtig. Hier ist auch Potential.
Es geht darum einen neuen Anfang zu suchen.
Es geht nicht um verletzte Eitelkeiten

In der Demokratie kann und darf man, ja muss man anderer Meinung sein – man muss aber auch wieder zusammenfinden, zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger.

Darum geht es – Und das ist unser Verständnis von Politik, und damit Verpflichtung der UWG JÜL.
Wir haben das große Privileg, dass wir nicht irgendwelchen Parteiideologien aus Düren, Düsseldorf oder Berlin gehorchen müssen, sondern Politik für Jülich machen.

Danke.

Heinz Frey
(Fraktionsvorsitzender)

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